Bayern bevorzugt: Im Gespräch mit Moskaus Minister für Außenhandel, Sergey Cheremin, zur Wirtschaftslage

23.08.2017

Sergey Cheremin, Moskaus Minister für Außenhandel, zur Wirtschaftslage im sanktionsgeplagten Moskau

Russland hat in den vergangenen Jahren eine wirtschaftliche Krise erlebt. 2015 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um fast vier Prozent und 2016 gab es einen weiteren Rückgang um 0,2 %. Doch über die Ursache für den Rückgang der russischen Wirtschaftsleistung herrscht bei den Experten Uneinigkeit. Einige sehen den Hauptgrund in den westlichen Sanktionen gegen Russland, andere machen die gesunkenen Ölpreise für die Wirtschaftsflaute verantwortlich. Außerdem werden interne Gründe genannt, besonders das Ausbleiben von tiefgreifenden Reformen und eine wenig flexible Staatsbürokratie. Letztendlich haben aber verschiedene Faktoren die Krise verursacht, wobei dem Ölpreis wohl die wichtigste Rolle zukommt.

Für dieses Jahr deutet sich wieder ein Wachstum der russischen Wirtschaft an. Die Schätzungen schwanken zwischen 0,5 % bis 2 %. Der Ölpreis hat sich stabilisiert und die russische Wirtschaft hat sich mit den Sanktionen eingerichtet. Der Minister für internationale Beziehungen und Außenwirtschaft der Stadt Moskau, Sergey Cheremin, bewertete dies im Gespräch mit Bayern International: „ Ich habe den Eindruck, dass die westlichen Sanktionen seinerzeit die Funktion einer „kalten Dusche“ für die russische Wirtschaft erfüllt haben. So verzeichnet zum Beispiel die russische Landwirtschaft seit der Einführung der Sanktionen besonders starke Wachstumsraten.“

Die Lebensmittelindustrie wächst ebenfalls kräftig, da sie von den Gegensanktionen des Kremls in Bezug auf die Einfuhr von Lebensmitteln aus dem Westen profitiert. Und der Pharmabranche nützt es, dass, aufgrund des gesunkenen Rubelkurses, sich viele Russen keine ausländischen Medikamente mehr leisten können. Deutlich negativer sind die Sanktionen für den Finanzdienstleistungssektor und Firmen, die stark auf westliches Kapital angewiesen sind. Cheremin: „Bei den Finanzsanktionen sind die Folgen deutlicher spürbar. Dies betrifft besonders die ausbleibenden Kredite US-amerikanischer Banken an russische Unternehmen.“

Die Sanktionen haben den deutsch-russischen Handel belastet. Cheremin: „Natürlich haben die Sanktionen einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland. Wenn in 2014 das Handelsvolumen zwischen unseren Ländern etwa 80 Milliarden Euro betrug, so ist es Ende 2016 auf nur noch 48 Milliarden Euro gesunken“. Allerdings sieht Cheremin mehr Nachteile für die deutsche Seite: “Die Lücken, die durch den Rückzug deutscher Unternehmen aus bestimmten Marktsegmenten entstehen, können und werden sofort durch unsere asiatischen Partner ausgefüllt“. China ist schon seit einigen Jahren wichtigster Handelspartner Russlands und hat seine Position seit der Einführung der westlichen Sanktionen ausgebaut. Auch der Handel Russlands mit anderen asiatischen Ländern wie Südkorea und Indien wächst stark.

Während die Politik der Bundesregierung in Russland oft kritisch gesehen wird, stößt ein deutsches Bundesland auf großes Wohlwollen: Bayern. So sagte Wladimir Putin im März 2017 beim Besuch von Ministerpräsident Seehofer im Kreml: “Liebe Freunde, was den Handel angeht, rangiert Bayern natürlich auf dem ersten Platz unter den Bundesländern.“  2016 ist der Handel zwischen Bayern und Russland sogar um vier Prozent gewachsen, während der Handel mit den übrigen Bundesländern um knapp fünf Prozent zurückging. Von der Stadt Moskau wird das Engagement bayerischer Firmen gewürdigt. Cheremin: “Was die wirtschaftliche Kooperation zwischen Moskau und Bayern angeht, so möchte ich betonen, dass kein einziges großes bayerisches Unternehmen den russischen Markt verlassen hat.“

Ebenso wird von Moskauer Seite die Kritik der Landesregierung und der bayerischen Wirtschaft an den Sanktionen gegen Russland geschätzt. Es ist ein Vorteil, dass Bayern nicht nur gute Kontakte zu Putin hat, sondern auch zur Moskauer Stadtregierung. Denn Moskau kommt für die russische Wirtschaft eine besonders große Bedeutung zu. Cheremin: “Der Anteil Moskaus am Bruttoinlandsprodukt Russlands beträgt etwa 20 %, am gesamten Einzelhandel etwa 30 %.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen Russlands quellen die Geldtöpfe der Stadt über. 2016 nahm Moskau umgerechnet 29 Milliarden Euro ein und erzielte einen Überschuss von 1,8 Milliarden Euro. Unter dem Moskauer Bürgermeister Sobjanin, seit 2010 im Amt, wird ein groß angelegtes Infrastrukturprogramm durchgeführt. Die Metro wurde ausgebaut, neue Grünanlagen angelegt und Radwege geschaffen. Zugleich wurden die Investitionsbedingungen in und um Moskau verbessert, zum Beispiel durch die Einrichtung von steuerbegünstigten Sonderwirtschaftszonen und Technoparks.

Der bayerischen Wirtschaft bieten sich durch den beginnenden Wiederaufschwung in Russland gute Möglichkeiten im Handel mit dem Riesenreich. Es ist spannend, ob es gelingen wird, verlorene Marktanteile von den Asiaten zurückzugewinnen.

Autor: Mathias von Hofen

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