Zwischen Sphinx und Pyramiden Die Milchwirtschaft in Ägypten ist auf Expansionskurs

Foto © manuela_kral, fotolia

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Obwohl die eigene Milcherzeugung im Land der Pharaonen in Qualität und Menge noch entwicklungsfähig ist, haben sich in der Milchverarbeitung schlagkräftige, gut aufgestellte Unternehmen etabliert, die darauf vorbereitet sind, den wachsenden Markt in Ägypten zu bedienen. Aber auch für  Lieferanten von Molkereimaschinen und Verpackungsanlagen ist dieses Land ein sehr interessanter Partner. 

Die ägyptischen Verbraucher

Aktuell hat Ägypten etwa 90 Millionen Einwohner, davon sind 51% männlich und 49% weiblich. Das Bevölkerungswachstum liegt derzeit bei 1,92%. Die Ägypter erwirtschaften ein BIP pro Kopf von ca. 13.200 USD, im Vergleich zu 46.400 USD in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12,9% und die Menschen leben mit einer Inflation von 11,5%. Etwa 43% des Einkommens werden für Lebensmittel ausgegeben. Dabei werden 34% für Allgemeines, 29% für Fleisch und Geflügel, nur 9% für Molkereiprodukte und jeweils 5-6% für Softdrinks, Hot Drinks, Snacks, Süßigkeiten und abgepackte Säfte aufgewendet.  9% gehen, in Form von Tabakwaren in Rauch auf. Interessant ist, dass ebenfalls nur 9% für das Wohnen aufgebracht werden müssen. Für das Essen außer Haus werden 2% ausgegeben, Ausbildung und Gesundheit kostet 8%. Die Unterhaltung lässt man sich im Land der Pyramiden 8% kosten.   

Milcherzeugung in Ägypten

Obwohl  nur knapp 4% der Fläche Ägyptens zur landwirtschaftlichen Nutzung geeignet sind, produzierten ägyptische Landwirte 2010 ca. sechs Millionen Tonnen Milch pro Jahr.  3200 Mio. davon sind Kuhmilch, 2700 Mio. Büffelmilch. Allerdings verbrauchen die Bauern 45% der erzeugten Rohmilch direkt vor Ort. 15% werden zur Fütterung von Jungkälbern verbraucht, weitere 15% dienen der Eigenversorgung und 15% werden zur Herstellung von Milchprodukten in privaten Haushalten verwendet. Das bedeutet, dass nur 55% des ägyptischen Milchaufkommens der Milchindustrie zur Verfügung stehen, dies allerdings mit steigenden Mengen für die Molkereianlieferung.  Nur 20% aller ägyptischen Milcherzeuger liefern ihre gesamte Milchproduktion direkt an die großen Molkereien.. Die B sind bestrebt leistungsfähiges Milchvieh zu importieren, um die lokale Produktion zu steigern. Trotz Allem, Ägypten ist einer der wichtigsten Milcherzeuger im Nahen Osten und in Afrika. Nach Darstellung der „Food and Agro Organization of the United Nations (FAO)“, lassen sich die ägyptischen Milcherzeuger in drei Gruppen einteilen. Die größte Gruppe sind die kleinen Familienbetriebe mit zwei bis zehn Kühen. Die zweite Gruppe bilden alle jene Bauern, die über moderne Melkmaschinen und Kühlanlagen verfügen.   Die am weitesten fortgeschrittene Gruppe sind die Milchfarmen, die den Milchindustriebetrieben selbst gehören. Diese Milchfarmen wurden eingeführt mit der Einsicht, dass bei wachsenden Märkten, die Verfügbarkeit von Rohstoff immer bedeutender wird und die Herstellung hochwertiger Milchprodukte mit Pulverauflösungen doch an Grenzen stößt. 

Chancen und Risiken

Die Molkereiprodukteindustrie des Landes beliefert den Markt mit einer relativ breiten Produktpallette. Außer Trinkmilch und Milchgetränke werden Butter, Käse (Weißkäse), Joghurt, Kondensmilch und Eiscreme hergestellt. Da einerseits die im eigenen Land produzierte Rohmilch mengenmäßig nicht ausreicht und andererseits den Preisvergleich mit importiertem Milchpulver verliert, wird von der Milchindustrie, hauptsächlich aus Polen, Neuseeland und Schweden importiertes Milchpulver, zur Herstellung von Trinkmilch, Käse und Säuglingsmilchnahrung, verarbeitet. Eine nicht zu vernachlässigende Schwierigkeit für die Milch verarbeitenden Unternehmen, was die Verarbeitung heimischer Rohmilch betrifft, ist die starke jahreszeitliche Schwankung im Milchaufkommen. So wird ein Großteil der ägyptischen Rohmilchmenge zwischen Januar und Juni gemolken, während die Milchmenge von Juni bis November um annähernd 50% zurückgeht.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat im Januar 2010 im Rahmen einer Studie „Lebensmittelhandel und Exportchancen deutscher Molkereiprodukte in Ägypten“, auch eine SWOT- Analyse der ägyptischen Landwirtschaft in Auftrag gegeben. Dort wurde als eine Stärke ausgewiesen, dass die wachsenden verfügbaren Einkommen und sich verändernde Konsumentengewohnheiten die Inlandsnachfrage stärken können. 80 Mio. Einwohner, mit weiter wachsender Tendenz, stellen den größten Markt der gesamten Region dar. Dass die Politik der Entwicklung des Agrarsektors Priorität einräumt und auf diese Weise ein hohes Investitionsniveau unterstützen will, ist ein weiteres Positivum. Die Ernährungswirtschaft im Land ist besser entwickelt als in vielen Nachbarstaaten, was den gut aufgestellten Unternehmen zahlreiche Exportchancen bietet. Diesen Stärken stehen aber auch verschiedene Schwächen gegenüber. Die nur 4% für die Landwirtschaft nutzbare Fläche wurden eingangs bereits erwähnt. Die Zahl der Haushalte, die über Kühlschränke verfügen ist sehr begrenzt. Auf den Einkauf höherwertiger frischer Molkereiprodukte muss deshalb teilweise verzichtet werden. Damit ist das Wachstum dieses Marktes begrenzt, bzw. ermöglicht den Markterfolg von UHT Produkten. 

Ägyptens Molkereiindustrie – interessant für Know-how und Maschinenexporteure

Private Unternehmen erreichen zweistellige Zuwachsraten und sind für deutsche Exporteure von Know-how, Maschinen und Anlagen nach wie vor der wichtigste Markt in Nordafrika. Die ständig steigenden Ansprüche an qualitativ hochwertige, leistungsfähige und vor allem rückverfolgbare Produktionsprozesse sind interessante Chancen für Anbieter innovativer und sicherer Technik und Technologien. So sollen Milchprodukte durch Einführung internationaler Standards exportfähig gemacht werden. Dabei ist zum Beispiel die Rückverfolgbarkeit vom Milcherzeuger bis zum Endprodukt eine interessante Herausforderung. Noch haben allerdings die Milchindustrieunternehmen genug zu tun den eigenen Markt zu bedienen. Allein die prognostizierten Zahlen der Bevölkerungsentwicklung geben da eine eindeutige Entwicklung vor. Wird zum Beispiel für die BRD ausgehend von 2010 mit 82,1 Mio. Menschen, über 2020 80,4 Millionen, 2030 77,9 Millionen und 2050 gar nur noch 70,5 Mio Einwohnern, ein recht deutlicher Bevölkerungsrückgang erwartet, sieht das für Ägypten ganz anders aus. Im gleichen Zeitraum soll die ägyptische Bevölkerung, bei nahezu gleicher Ausgangslage sich von 84,5 Mio. über 98,6 Mio. 2020 und 110,9 Mio. in 2030 auf 129,5 Mio. Einwohner im Jahr 2050 steigern.  Dazu kommt, dass mit steigender Kaufkraft auch die Nachfrage nach hochwertigen Molkereiprodukten im Pro Kopf Verbrauch weiter steigen wird. Allein die Tatsache, sich plötzlich einen Kühlschrank leisten zu können, hat da einen wesentlichen Einfluss. Bei dem Pro Kopf Verbrauch gibt es auch Reserven. Liegt etwa der Wert für Milch 2009 in der EU bei 65 l/a trinken die Nachfahren der Pharaonen gerade einmal 21 l/a. Nahezu den gleichen Faktor zeigt der Käseverbrauch auf. Verzehrt der EU-Bürger 18 kg/a, bringt es der ägyptische Käseliebhaber auf  6 kg/a, wobei das Sortiment deutlich eingeschränkter ist und sich in der Hauptsache auf Weißkäse konzentriert. Rechnet man jetzt Potentiale beim Verbrauch mit der Bevölkerungsentwicklung hoch, kann man erahnen, welche Möglichkeiten Ägypten für Lebensmittelhersteller und Zulieferer in der Zukunft bietet. Käse repräsentiert ungefähr 30% des Milchmarktes in Ägypten, „White Cheese“ hat daran den größten Anteil. Einer der großen Player im ägyptischen Milchgeschäft, das 1990 gegründete Unternehmen Domty (Arabian Food Industries Company), ist der größte Käseproduzent Ägyptens und mit seiner Spezialität Weißkäse, der ohne Molkenabgabe in der der Weichverpackung koaguliert.Wurden 2009 noch 40 Mio. Packungen verkauft, waren es im Jahr 2014 bereits 450 Millionen.

Das größte ägyptische Molkereiunternehmen Juhayna macht ganz aktuell, als Arlas Joint Venture Partner , von sich reden. Gemeinsam mit dem großen Europäer wurde ein Joint Venture gegründet. Das neue Unternehmen heißt „Arju Food Industries“ und soll helfen die Arla Palette auf den Wachstumsmärkten im Nahen Osten und Afrika abzusetzen. Bis zum Jahr 2020 erwartet Arla in Ägypten ein Umsatz von 90 Millionen Euro. 

Als Beispiele für geplante Investitionen seien nur ein paar Fakten genannt:

  • Arabian Food Industries Co. (Domty), plant die Herstellung von Joghurt und kartonierter Milch. Um künftige Investitionen stemmen zu können, wollen die Weißkäseabpacker noch in diesem Jahr an die Börse gehen.
  • Das erwähnte Joint Venture Arju Food Industries soll, unter anderem, Käse, Butter und Babynahrung in Ägypten herstellen.
  • Ebenfalls Kapazitäten für die Herstellung von Saft, Milch und Käse, will die Obourland Cheese Company aufbauen. Der 2008 geschlossene Milchproduktehersteller Egypt Dairy soll anscheinend wieder eröffnet werden. Eine technische Modernisierung wäre dann zwingend notwendig.
  • In einem Interview mit „Daily News Egypt“, erklärte der Geschäftsführer von  Tetra Pak Egypt, Anders Lindgren, dass er für die kommenden Jahre mit einem steigenden Marktanteil abgepackter Milch rechne. Noch werden in Ägypten nur 30% der Milch abgepackt verkauft,  70% gehen lose an den Verbraucher.  

Delegation ägyptische Milchwirtschaftler im November in Bayern

Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie lädt vom 7. bis 11. November 2016 Führungskräfte der ägyptischen Molkereiindustrie zu Gesprächen nach Bayern ein.  Im Rahmen des Weiterbildungsprograms „Bayern - fit  for Partnership“ (Bayern International) bietet sich Vertretern von Zulieferbetrieben und Molkereien die Möglichkeit Interessante Gespräche zu führen und Kontakte zu knüpfen. Die Auslandshandelskammer in Kairo – der Partner vor Ort – wird in Abstimmung mit den Verbänden die ägyptischen Molkereiunternehmen kontaktieren und eine Teilnehmerliste zusammenstellen. In aller Regel nehmen Eigentümer, Geschäftsführer und weitere Entscheidungsträger an Veranstaltungen dieses Programmes teil. Den interessierten bayrischen Unternehmen stehen damit am 07. November in Freising und am 10. November in Kempten, gebündelt hochkarätige Gesprächspartner zur Verfügung. An beiden Orten wird zu dieser Gelegenheit eine Hausmesse veranstaltet, bei der sich die heimischen Unternehmen präsentieren können. Die Teilnahme ist kostenfrei. 

Das Programm „Bayern – Fit for Partnetship“ von Bayern International

„Bayern – Fit for Partnership“ unterstützt die Marketing – und Vertriebsaktivitäten bayerischer Unternehmen. Abgestimmt auf die Erfordernisse der bayerischen Wirtschaft werden die einzelnen Themen von Bayern International mit kompetenten Bildungsspezialisten und bayerischen Unternehmen entwickelt. Das Programm wird im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie durchgeführt.

Mit dem Programm „Bayern – Fit for Partnership“ wird internationale Weiterbildung mit bayerischer Exportförderung verknüpft. Im Rahmen des Programms werden Fach- und Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung nach Bayern eingeladen. Hier bekommen sie praxisnahe und themenspezifische Schulungen und treffen auf Unternehmen, die Produkte und Lösungen für Investoren bereithalten. Aus der Sicht von kleineren und mittleren Betrieben ist dieses Programm von besonderer Bedeutung. Es ermöglicht den bayerischen Unternehmen die Kontaktaufnahme zu ausländischen Märkten, ohne größeren finanziellen Einsatz und hilft damit, das Risiko sehr deutlich zu begrenzen. Für über 1250 internationale Teilnehmer war oftmals die Praxisnähe das Überzeugende Moment, um weiter mit den bayerischen Unternehmen in Kontakt zu bleiben und Aufträge zu platzieren.

Nähere Informationen zu „Bayern – Fit for Partnership“ sind hier abrufbar.

Autor: Georg Herbertz, Kempten. Quelle: Dieser Artikel erschien zuerst in der  „Deutsche Molkerei Zeitung (dmz 11/2016)“